Skandal um US-Einlagensicherung

Rufe nach Rücktritt von FDIC-Chef Martin Gruenberg werden lauter

Eine externe Prüfung bei der US-Einlagensicherung FDIC stößt auf sexuelle Belästigung und Diskriminierung. Der Druck auf den als Choleriker kritisierten Behördenchef Martin Gruenberg nimmt nun noch einmal massiv zu.

Rufe nach Rücktritt von FDIC-Chef Martin Gruenberg werden lauter

Druck auf US-Einlagensicherung nimmt zu

Externe Prüfung stößt auf Kultur der sexuellen Belästigung und Diskriminierung – FDIC-Chef Gruenberg unter Feuer

xaw New York

Die US-Einlagensicherung FDIC und ihr Chef Martin Gruenberg stehen unter zunehmend heftigerem Druck. So kommt eine von der Behörde beauftragte Prüfung zu dem Schluss, dass bei dem Bankenregulator seit langem eine Kultur herrscht, in der sexuelle Belästigung, Mobbing und Diskriminierung an der Tagesordnung sind. Gegen Beschuldigte soll die FDIC-Führung bei Beschwerden keine Disziplinarmaßnahmen verhängt haben, stattdessen habe sie diese versetzt oder sogar befördert.

Chef unter Feuer

Die Ermittler der Anwaltskanzlei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton sprachen während der Vorbereitung ihres 234-seitigen Berichts mit mehr als 500 der weniger als 6.000 Beschäftigten der Behörde. Bei den meisten Personen soll es sich um aktuelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehandelt haben, die „emotional und schmerzvoll“ über ihre Erfahrungen bei dem Regulator berichtet hätten. Die Ergebnisse der Untersuchung werfen laut Kritikern Zweifel daran auf, ob Gruenberg wirklich geeignet ist, eine so einflussreiche Behörde wie die FDIC zu führen.

Beauftragt hatte die FDIC die Untersuchung, nachdem das „Wall Street Journal“ im vergangenen November über ein „toxisches Arbeitsumfeld“ bei der Einlagensicherung berichtet hatte. Die Liste der Vorwürfe, die nun teils auch im Bericht von Cleary Gottlieb ein Echo finden, ist lang. Beispielsweise soll eine Führungskraft im Büro der Behörde in San Francisco Mitarbeiter in einen Stripclub eingeladen haben. Ein Manager des FDIC-Ablegers in Denver habe Sex mit einer Angestellten gehabt und im Kollegenkreis davon erzählt sowie die Frau dazu angehalten, während der Arbeitszeit Whiskey zu konsumieren. Hochrangige Bankprüfer der Behörde schickten Kolleginnen angeblich Fotos ihrer Geschlechtsteile.

Insider sprechen von einer Atmosphäre wie in einer Studentenverbindung, in der sexuelle Anspielungen an der Tagesordnung seien, Frauen nach ihrem Äußeren beurteilt und gegenüber männlichen Mitarbeitern benachteiligt worden seien. Damit einher gehe heftiger Alkoholkonsum im Kollegenkreis, den die FDIC lange toleriert habe. Ein Hotel der Behörde außerhalb Washingtons, in dem Mitarbeiter anderer Standorte auf Dienstreisen untergebracht werden, genießt einen Ruf als Partyhöhle.

Mangel an Prüferinnen als Gefahr

Zahlreiche Bankprüferinnen sollen die FDIC nach frauenfeindlichen Erfahrungen verlassen haben. Das sorgt auch mit Blick auf die Krise unter US-Regionalbanken für scharfe Kritik aus dem Kongress und der Finanzbranche. Schließlich machten selbst interne Untersuchungen der Behörde den Mangel an Prüferinnen und Prüfern dafür verantwortlich, dass die Einlagensicherung Probleme bei kollabierten Instituten nicht früher aufspürte.

Die Probleme beim Regulator sollen sich indes nicht auf Misogynie beschränken. So forderte ein Kollege einen hispanischen Mitarbeiter angeblich auf, den „Pledge of Allegiance“ – einen in den USA üblichen Treueschwur gegenüber Nation und Flagge – aufzusagen, um seinen Status als „echter Amerikaner“ zu beweisen. Gruenberg sagte bereits auf die ursprüngliche mediale Berichterstattung aus, ihm sei das tiefgreifende Fehlverhalten innerhalb seiner Behörde zuvor nicht bekannt gewesen. Allerdings berichten FDIC-Mitarbeiter, dass Gruenberg bei Anschuldigungen gegen Führungskräfte durchaus in Entscheidungen involviert gewesen sei und meist nicht hart durchgegriffen habe.

Cholerischer Behördenchef

Harrel Pettway, damals Nummer zwei der FDIC-Rechtsabteilung, soll einer Mitarbeiterin im Jahr 2019 beispielsweise eine wütende und beleidigende Sprachnachricht hinterlassen haben. Die Behörde wurde zu diesem Zeitpunkt von Gruenbergs Vorgängerin Jelena McWilliams geführt und zahlte im Rahmen eines Vergleichs 100.000 Dollar an die betroffene Frau. Pettway behielt seinen Job indes und stieg unter Gruenberg zum obersten FDIC-Rechtsberater auf.

FDIC-Chef Martin Gruenberg soll zu Wutausbrüchen neigen. Foto: picture alliance / newscom | Ken Cedeno.

Der Chef der Einlagensicherung, der bei Auftritten im Kongress häufig verschlafen wirkt, neigt nach Darstellung von Mitarbeitern indes zu Wutausbrüchen. Bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus verneinte Gruenberg im November unter Eid, dass es gegen ihn jemals Untersuchungen wegen mutmaßlichen Fehlverhaltens gegeben hätte. Später korrigierte er seine Aussage: Im Jahr 2008 sei er, damals Vizevorsitzender der FDIC, wegen Beschwerden einer Mitarbeiterin befragt worden.

Gruenberg soll gegenüber der Beamtin die Beherrschung verloren haben, da diese den Zeitplan für eine Management-Konferenz nicht mit ihm abgestimmt habe. Die Überprüfung habe nach seiner Kenntnis zu keinem Ergebnis geführt, teilte der Behördenchef mit. Gegenüber Cleary Gottlieb berichteten nun aber auch andere Mitarbeiter von „extrem schwierigen und volatilen“ Interaktionen mit Gruenberg. Beschäftigte hätten sich vom FDIC-Vorsitzenden „nicht respektiert, verunglimpft und ungerecht behandelt“ gefühlt.

Kritik aus dem Kongress

In einer vor Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse am Dienstag versandten Nachricht an Mitarbeiter entschuldigte sich Gruenberg bei jedem, „dem bei der FDIC sexuelle Belästigung oder anderes Fehlverhalten widerfahren sind“. Auch täten ihm „jedwede eigenen Fehler“ leid.

Die Ermittler von Cleary Gottlieb geben keine Empfehlung dazu ab, ob Gruenberg und andere Führungskräfte bestraft oder ersetzt werden sollten. Angesichts seiner langen Amtszeit und seines Rufs als Choleriker könne er aber nur schwierig glaubhaft für einen kulturellen Wandel bei der FDIC eintreten. Vertreter beider Parteien im Kongress fordern nun einen Rücktritt des 71-Jährigen, der nur vom Präsidenten abgesetzt werden kann.

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