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Capital One wagt mit Discover-Übernahme den Angriff auf die Payment-Giganten

Der Kreditkartenanbieter Capital One will durch die Übernahme von Discover Financial ein rares Asset erringen: das Zahlungsnetzwerk der Konkurrentin. So will die US-Firma das Duopol von Mastercard und Visa brechen.

Capital One wagt mit Discover-Übernahme den Angriff auf die Payment-Giganten

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Capital One greift Payment-Riesen an

Von Alex Wehnert, New York

Der US-Kreditkartenanbieter Capital One hat den „Heiligen Gral“ erobert – zumindest nach Darstellung von CEO Richard Fairbank. Der Vorstandschef bezieht sich mit der Erwähnung des mythischen Kelchs auf das Zahlungsnetzwerk der Konkurrentin Discover Financial, deren Übernahme sich der Finanzdienstleister aus Virginia mehr als 35 Mrd. Dollar kosten lassen will. Im Rahmen des Ende Februar angekündigten Aktientauschs sollen Discover-Anteilseigner implizit 140 Dollar pro Anteil erhalten und damit trotz jüngster Kursanstiege einen kräftigen Aufschlag zu den aktuellen Kursniveaus um 125 Dollar. Der Deal ist Capital One deshalb so viel wert, weil der Kreditkartenanbieter damit den Angriff auf die Giganten der Payment-Branche wagen will.

Denn Discover verfügt über ein eigenes Zahlungsnetzwerk und ist eine der wenigen echten Konkurrentinnen von Visa und Mastercard, die in Kombination mit der elitäreren American Express 95% aller Credit-Clearing-Transaktionen im amerikanischen Markt kontrollieren. Durch die Übernahme des Finanzdienstleisters aus Illinois sichert sich Capital One also nicht nur einen Zugang zu einer größeren Zahl an Kartenkunden mit hohen Bonitätsscores – sondern auch einen Zugriff auf strategisch wertvolle Infrastruktur.

Heiße Begehrlichkeiten

Diese weckte in den vergangenen Jahren wiederholt das Interesse großer Banken und Technologieunternehmen. Capital One, die neuntgrößte Bank des Landes, will nun zumindest einige ihrer Karten auf das Discover-Netzwerk umstellen und für andere weiterhin Mastercard und Visa nutzen. Denn die beiden Branchenführer finden bisher bei einer größeren Zahl von Händlern Akzeptanz.

Die Marktmacht der Zahlungsriesen stößt auf Kritik von Verbraucherschützern und Händlervertretern, die sich über hohe bestehende Gebühren und die wiederholte Einführung neuer Raten beschweren. Dies hat zuletzt in mehreren Rechtsräumen Regulatoren auf den Plan gerufen. In den USA hat die Federal Reserve eine Deckelung der Interchange-Gebühren vorgeschlagen, die bei Kartentransaktionen an die Banken fließen.

Zuletzt haben Mastercard, Visa und die Banken, die auf ihren Netzwerken basierende Karten begeben, überdies einen 30 Mrd. Dollar schweren Vergleich mit Händlern geschlossen. Im Rahmen des Deals erklärten sich die Dienstleister bereit, die Interchange-Gebühren für mindestens drei Jahre zu senken und Raten, die im Dezember 2023 Bestand hatten, für fünf Jahre nicht zu erhöhen. Handelsverbände sehen dies aber als unzureichend – große Retailer um Walmart riefen den zuständigen Bundesrichter Ende April an, den Vergleich noch zu kippen.

Rückenwind aus Washington

Auch Discover steht zwar wegen Gebührenberechnungen auf falscher Grundlage in der Kritik. Die Übernahme gilt in einer Phase, in der Visa und Mastercard unter steigenden Druck geraten, aber als aussichtsreichste Möglichkeit für Capital One, das Duopol der Payment-Riesen zu brechen. Helfen könnte dabei auch ein in Washington diskutierter Gesetzesvorschlag, gemäß dem Kreditkartenanbieter die Abwicklung von Transaktionen über mehrere Netzwerke anbieten müssten.

Zudem würde die seit 1994 börsennotierte Capital One durch die Discover-Übernahme an J.P. Morgan vorbeiziehen und gemessen am Kreditvolumen die Spitzenposition unter den Kartenanbietern einnehmen – und dies in einer Boomzeit für die Branche. Denn Amerikas Verbraucher kaufen wieder deutlich mehr auf Pump. So sind die Kreditkartensalden bei großen US-Banken nach einem Rückgang während der Corona-Pandemie massiv gestiegen, Ende 2023 beliefen sie sich laut der Fed auf 911,86 Mrd. Dollar.

In diesem Umfeld hat die Capital-One-Aktie ihren Wert seit Anfang 2023 um nahezu die Hälfte gesteigert. Dabei liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der Schätzungen für die kommenden zwölf Monate mit 9,83 unter dem Branchenschnitt. Dennoch breitet sich unter Analysten kein Überschwang für den Titel aus: In der Bloomberg-Datenbank finden sich für Capital One zwar acht Kaufempfehlungen, denen nur eine zum Verkauf gegenüber steht – allerdings raten auch 14 Investmenthäuser zum Halten.

Steigende Kreditrisiken

Das hat mehrere Gründe: Zwar stützt die Verfügbarkeit lukrativer Bonusprogramme und mitunter niedriger Kosten für Kreditkarten die Konsumlaune. Doch trägt dies zu steigenden Kreditrisiken bei: Der Anteil der rückständigen Zahlungen fiel mit 3,1% zuletzt so hoch aus wie seit 2011 nicht. Capital One hat die Risikovorsorge deshalb aufgestockt, in den vergangenen beiden Quartal jedoch auch schon Kredite im Volumen von insgesamt 5,1 Mrd. Dollar abgeschrieben – zwischen Oktober 2022 und März 2023 waren es kombiniert noch 3,1 Mrd. Dollar.

Zudem weht für die hoffnungsvoll begleitete Discover-Übernahme regulatorischer Gegenwind. So hat sich US-Senatorin Elizabeth Warren zuletzt hart gegen den Deal positioniert und dabei Befürchtungen geäußert, dass Kartengebühren für US-Verbraucher steigen dürften. Auch die Wettbewerbsaufsicht FTC hat zuletzt wiederholt versucht, Merger in verschiedenen Branchen zu blockieren. Capital One hält den „Heiligen Gral“ also längst noch nicht in den Händen.