Im Interview:Javier Hernani

„Der Wettbewerb ist schonungslos, auch zwischen den Börsen“

Der CEO des spanischen Börsenbetreibers BME über Standortprobleme, die Konkurrenz in Europa und den Eigentümer SIX.

„Der Wettbewerb ist schonungslos, auch zwischen den Börsen“

ths Madrid

Im Interview: Javier Hernani

„Der Wettbewerb ist schonungslos“

Der CEO des spanischen Börsenbetreibers BME über Standortprobleme, die Konkurrenz in Europa und den Eigentümer Six

Bolsas y Mercados Españoles (BME), die Betreibergesellschaft der spanischen Börsen, warnt in einem Weißbuch vor den Problemen des Marktplatzes. Der Ibex 35 hat sich seit Jahren schlechter entwickelt als andere Indizes. Javier Hernani ist CEO von BME, die 2020 von der Schweizer Six Group übernommen wurde.

Das Interview führte Thilo Schäfer.

Herr Hernani, das Weißbuch wirft kein gutes Licht auf die Situation der Börse in Spanien. Was sind die wichtigsten Gründe für diesen Rückstand gegenüber anderen Märkten?

Das „libro blanco“ ist nicht allein von BME, auch wenn wir die Initiative hatten. Wir haben zusammen mit 30 Organisationen gearbeitet, darunter die Notenbank, die Regierung, die Börsenaufsicht, Privatbanken und Anwaltskammern. Der spanische Markt hat in den letzten Jahren an Wettbewerbsfähigkeit verloren. In Europa gibt es zwar ähnliche Probleme, aber wir haben einige rein spanische Elemente, die wir auf nationaler Ebene lösen können. Über die Jahre haben sich Entscheidungen, Normen und Regulierungen angehäuft, die uns an der Entwicklung bestimmter Produkte und uns als Börse allgemein hindern. Wir haben viele Investitionen von Kleinanlegern verloren, die in Aktiva wie Kryptowährung gehen. Aber das schwerwiegendste Problem in Spanien und in Europa ist, dass es keine Nachfrage von institutionellen Investoren nach Aktien gibt. Wir sind Lichtjahre von den USA entfernt.

Von den 56 Maßnahmen, die im Weißbuch vorgeschlagen werden, bezieht sich ein Großteil auf steuerliche Aspekte, etwa die neu eingeführte Finanztransaktionssteuer.

Diese Steuer ist ein wichtiger Faktor, obwohl sie auch in Frankreich oder Italien besteht. Die Gesellschaft ist sich der Lage nicht bewusst. Wir leben in einem Binnenmarkt, mit freiem Verkehr von Personen, Gütern und Kapital. Der Wettbewerb ist schonungslos, auch zwischen den Börsen. Nationale Maßnahmen, wie diese Steuer, schränken uns ein. Es gibt aber auch andere fiskalische Aspekte, wie die Besteuerung von strukturierten Produkten. In Spanien wird jede Bewegung besteuert. Daher haben wir hier sehr wenige Exchange Traded Funds. In der Schweiz gibt es 1.700 ETFs, in Spanien ganze sechs.

Die Zahl der offenen Investmentgesellschaften (Sicav) ist seit den Änderungen der Regierung 2021 eingebrochen.

Das ist eine weitere verlorene Schlacht. Von 3.300 Sicav sind wir heute bei weniger als 500. Niemand versteht diese Gesetzänderungen. Diese Vermögen liegen jetzt in Funds oder in Luxemburg.

Woran mangelt es sonst noch?

Es gibt da zum Beispiel Steuererleichterungen für Start-ups in der Wachstumsphase. Aber sie verlieren diese Vorteile, sobald sie in einen Sekundärmarkt eintreten. Die verantwortlichen Institutionen scheinen sich des Problems nicht bewusst zu sein.

Welche Maßnahmen schlagen Sie vor?

Da wäre etwa die „mochila fiscal“ („Steuerrucksack“) für langfristige Kapitalanlagen. Die jungen Menschen, die für die Rente sparen, dürfen nicht jedes Mal, wenn sie das Sparprodukt wechseln, besteuert werden, sondern nur am Ende ihres Berufslebens, wenn sie diese Ersparnisse auflösen. Der Staat verliert dadurch keine Einnahmen und ermöglicht es den Leuten, ein gewisses Kapital anzuhäufen.

In Spanien investieren die Menschen traditionell stark in Immobilien, ihr Eigenheim, aber auch als Form der Altersversorgung. Ist das ein Problem für die Wertpapiermärkte?

Das stimmt. Wir sind überhaupt nicht gegen die Investition in Immobilien. Aber, dass 90% der gesamten langfristigen Anlagen der Menschen in Wohnungen gehen, ist auch aus volkswirtschaftlicher Sicht ein Fehler. Daher muss man andere Anlageprodukte für die Altersversorgung steuerlich mehr fördern. Dadurch könnte man auch institutionelle Investoren anlocken, die solche Produkte anbieten. Aber die Politik denkt bei diesem Thema zu kurzfristig.

Teilen Sie die Ansicht mancher Akteure und Marktteilnehmer, dass die Fragmentierung der Börsenplätze in Europa ein Nachteil gegenüber den USA ist?

Dieses Mantra wird viel bemüht, aber es stimmt nicht, dass die regulierten Märkte in Europa zu sehr fragmentiert sind. Das eigentliche Problem sind die MTF (Multilateral Trading Facility) und die systematischen Internalisierer (SI), welche Kauf- und Verkaufsorder der Kunden am Rande der offiziellen Handelsplätze ausführen. Es gibt also eine Fragmentierung in der Abwicklung. Doch mit Target2-Securites (T2S) sind wir auf einem guten Weg. Bei Six hoffen wir davon zu profitieren, da wir eine einmalige Position haben mit Präsenz in der Europäischen Union und in der Schweiz, zwei der führenden Finanzmärkte.

BME will auch von der Entscheidung der EU profitieren, die Finanzinstitute dazu verpflichtet, einen Teil ihrer Derivategeschäfte in Clearinghäusern im Euroraum abzuwickeln, statt nur in London.

Ja, das ist ein Wachstumsbereich für uns. Die EU-Verordnung zur Marktinfrastruktur (Emir) ist eine Chance für Six, da wir dank der Clearingstelle von BME eine EU-Lizenz für Zinsswaps (IRS) haben. Wir haben ein wettbewerbsfähiges Angebot.

Welche anderen Vorteile hat BME aus der Fusion mit Six?

In unserer Branche ist Größe entscheidend. Six ist die drittgrößte Gruppe in Europa für Finanzmarkt-Infrastruktur, mit einer starken Präsenz in anderen europäischen Märkten wie Spanien. Die Synergien sind beträchtlich. Als Teil der Gruppe können wir außerdem viel besser Investitionen in Innovation und Technologie angehen.

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