Kriselnder Flugzeugbauer

Pannen lasten schwer auf Liquidität von Boeing

Der kriselnde Flugzeugbauer Boeing hat im ersten Quartal liquide Mittel im Volumen von nahezu 4 Mrd. Dollar verbrannt. Der zum Jahresende abtretende CEO David Calhoun spricht von einem „schwierigen Moment“, doch müsse die Behebung der Qualitätsprobleme in der Fertigung im Mittelpunkt stehen.

Pannen lasten schwer auf Liquidität von Boeing

Pannen lasten schwer auf Liquidität von Boeing

Krise um 737 Max beschert Flugzeugbauer im Auftaktquartal Umsatzrückgang und Verlust – Cash- und Wertpapierbestände schrumpfen zusammen

Der kriselnde Flugzeugbauer Boeing hat im ersten Quartal liquide Mittel im Volumen von nahezu 4 Mrd. Dollar verbrannt. Der zum Jahresende abtretende CEO David Calhoun spricht von einem „schwierigen Moment“, doch müsse die Behebung der Qualitätsprobleme in der Fertigung im Mittelpunkt stehen.

xaw New York

Die Krise um den Pannenflieger 737 Max hat den Flugzeugbauer Boeing im Auftaktquartal 2024 schwer belastet. So vermeldete der US-Konzern am Mittwoch einen Umsatzrückgang um 8% auf 16,57 Mrd. Dollar sowie einen Verlust von 335 Mill. Dollar. Zudem verbrannte Boeing zwischen Januar und März 3,93 Mrd. Dollar an liquiden Mitteln. Der Cash Burn fiel damit zwar etwas niedriger aus als vom Management noch im vergangenen Monat prognostiziert, aber doch so hoch wie seit Ende des von Corona-Verwerfungen geprägten Jahres 2020 nicht. Die Aktie, im vorbörslichen und frühen New Yorker Handel am Mittwoch noch leicht im Aufwind, drehte bis zur Mittagszeit wieder ins Minus.

Die Boeing-Bestände an Cash und Investments summierten sich Ende März auf lediglich 7,5 Mrd. Dollar und damit auf weniger als die Hälfte der zum Jahresschluss 2023 erreichten Niveaus. Die Entwicklung und die Ergebnisse reflektierten die „drastischen" und „unmittelbaren“ Maßnahmen, die Boeing ergriffen habe, um die Produktion der Cashcow 737 herunterzufahren und Qualitätsverbesserungen zu erzielen, sagte CEO David Calhoun am Mittwoch in einer Analystenschalte. Im Auftaktquartal fertigte Boeing nur noch 38 Maschinen des Typs pro Monat. Die Auslieferungen über alle Modelle hinweg gingen im ersten Viertel um 36% auf 83 Flugzeuge zurück.

Vorstandschef Calhoun, 2020 noch als Krisenmanager geholt, kündigte im März seinen Rücktritt zum Jahresende an. Bis zu diesem Zeitpunkt werde er „zu 100% engagiert“ bleiben, betonte der 67-Jährige nun – zuletzt hatten an der Wall Street Spekulationen die Runde gemacht, er könne auch früher abtreten, wenn der Konzern bereits in den Sommermonaten einen geeigneten Nachfolger fände.

Calhoun steht im Dauerfeuer der Kritik von Kunden und Investoren, seitdem eine 737 Max 9 der Alaska Airlines Anfang Januar nach dem Start in Portland, Oregon, in 4.900 Metern Höhe ein Rumpfteil verlor – durch einen Zufall kamen die Passagiere weitestgehend mit dem Schrecken davon. Die Panne folgte auf zwei tödliche Unglücke des Vorgängermodells 737 Max 8 in den Jahren 2018 und 2019.

Zahlreiche Zwischenfälle

Auch bei anderen Baureihen kommt es in jüngster Zeit zu Zwischenfällen: Anfang März sprang beim Start in San Francisco ein Rad von einer Maschine des Modells 777 der United Airlines ab. Kurz darauf sackte ein 787 Dreamliner der chilenischen Latam auf einem Flug von Sydney nach Auckland plötzlich ab, nachdem ein Mitglied des Personals wohl versehentlich einen nicht verkleideten Schalter an den Pilotensitzen umgelegt und den Kapitän damit in die Armaturen geschleudert hatte. Bei dem Vorfall wurden 50 Menschen verletzt. Und Anfang April verlor eine Passagiermaschine der US-Fluggesellschaft Southwest Airlines vom Typ 737-800 während des Starts in Denver die Abdeckung eines ihrer Triebwerke.

Eine in Reaktion auf den Alaska-Vorfall angestoßene Prüfung der US-Luftfahrtaufsicht FAA, die keine weiteren Produktionssteigerungen der 737 Max mehr zulassen will, förderte Dutzende Probleme im Fertigungsprozess des Modells sowohl bei Boeing als auch beim Zulieferer Spirit Aerosystems zutage. Gemäß eines vorläufigen Berichts der Verkehrssicherheitsbehörde NTSB fehlten an dem Kabinenteil, das die Alaska-Maschine verlor, vier Schrauben.

In Kongressanhörungen haben zuletzt mehrere Whistleblower Kritik an den Fertigungsprozessen bei Boeing geäußert. Sie zeichnen das Bild einer Unternehmenskultur, in der Mitarbeitern aktiv davon abgeraten würde, sich mit Qualitäts- und Sicherheitsbedenken zu Wort zu melden. Nach den Zwischenfällen im ersten Quartal ist die Zahl der Anrufe bei der internen Sicherheitshotline von Boeing zuletzt um 500% in die Höhe geschnellt.

Regulatoren haben Boeing eine Frist bis Ende Mai gesetzt, um einen umfassenden Plan für Qualitätsverbesserungen einzureichen. Der Konzern betonte am Mittwoch, bereits an der Umsetzung eines solchen Plans zu arbeiten. Gerade die Fabrik in Renton im US-Bundesstaat Washington, in der die 737-Max-Maschinen zusammengesetzt werden, steht dabei im Fokus. Der Konzern will dort Schulungs- und Inspektionsprozesse verbessern.

Auch „Travelled Work“, bei der Probleme in der Produktionslinie erst bei Zusammensetzung der Flugzeuge adressiert werden, steht auf dem Prüfstand. Externe Experten für Qualitätskontrolle, die seit sechs Wochen in Renton und bei Spirit Aerosystems aktiv sind, sollen laut Calhoun „auf Jahre hinaus“ vor Ort bleiben.

Spirit-Übernahme angepeilt

Zudem verhandelt Boeing über eine Übernahme von Spirit, die 2005 aus dem Verkauf von Abteilungen des Flugzeugbauers in Kansas und Oklahoma hervorgegangen war. Analysten rechnen damit, dass ein solcher Schritt zwar zu Verbesserungen im Lieferkettenmanagement des Konzerns beitragen, aber keine schnelle Behebung von Qualitätsproblemen ermöglichen werde. Boeing-CFO Brian West betonte am Mittwoch, er glaube an die „strategische Logik“ eines Deals, es seien aber noch viele Details zu klären.

Zu der Beinahe-Tragödie Anfang Januar laufen überdies Ermittlungen des US-Justizministeriums. West betonte nun indes, dass für Boeing bei allen Turbulenzen der Erhalt des Investment-Grade-Ratings zentral sei. Fitch stuft die Kreditwürdigkeit des Konzerns mit „BBB−" ein, hat den Ausblick zuletzt allerdings von „positiv“ auf „stabil“ gesenkt. West betonte, dass Boeing dennoch über einen breiten Marktzugang verfüge, sollte er seine Liquiditätsposition anpassen müssen.

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